30.7.2020

„Wir hatten Ideen und wollten etwas verändern“

Nach den Interviews mit unseren aktuellen Amtsträgern steht uns heute Herren-1-Spieler Simon Leißler, 34, Gymnasiallehrer, Rede und Antwort. Simon erzählt uns von unvergesslichen Erinnerungen, unerwarteten Triumphen – und wie sich aus einer fast gänzlich eingeschlafenen Jugendarbeit einer der erfolgreichsten Jugendvereine der Region entwickelte.

Simon, es gibt eine recht überraschende Statistik: Du bist mit deinen erst 34 Jahren hinter Andi Gall (64) das am zweitlängsten gediente aktive Mitglied der Abstatter Tischtennisabteilung. Wie kommt das?

Ja, das vergesse ich tatsächlich selbst auch immer mal wieder, dass ich ja schon länger in Abstatt Tischtennis spiele als die ganzen älteren Spielerinnen und Spieler bei uns. Bis auf Andi kamen sie alle erst nach mir in den Verein und waren zumeist davor anderswo aktiv. Ich bin schon seit 1993 dabei. Der Fairness halber muss man aber sagen, dass Alex Kucher (35), unser Abteilungsleiter, nur kurz nach mir angefangen hat, und Gunther Schmidt (62) ebenfalls nur recht kurz danach von Sontheim zum TGV gekommen ist. Sollte Andi also – eines fernen Tages – je den Schläger beiseitelegen, werde ich nur mit ganz kleinem Abstand der Spitzenreiter sein.

Müsste es aber neben euch nicht noch viel mehr Spieler aus deiner Jugendzeit oder früheren Jahren in der Abteilung geben?

Es gab Ende der 90er einige Umbrüche bei den Herren. Zwei von drei Mannschaften sind zeitweise weggebrochen und einige Spieler haben den Verein verlassen. Natürlich sind auch im Lauf der Jahre lang gediente Spieler weggezogen oder haben aufgehört. Und zu meiner Jugendzeit war die Nachwuchsarbeit leider nicht so nachhaltig und stabil, wie sie heute ist. In meinem letzten Jugendjahr – Alex war da schon in seiner ersten Saison bei den Aktiven – reichte es zum Beispiel personell für keine einzige Jugendmannschaft mehr und ich konnte lediglich ein paar Ersatzeinsätze bei den Herren machen.

Eigentlich kaum zu glauben. Heute melden wir jede Saison fünf bis sieben Jugendmannschaften und sind seit einigen Jahren bei der Jugend unter den erfolgreichsten Vereinen im ganzen Landkreis. Was ist seitdem passiert?

Nun ja, den Grundstein zum Neuaufbau haben damals Alex und ich gelegt, aber was daraus entstanden ist, hätten wir uns niemals vorstellen können. In meinem besagten letzten Jugendjahr hörte unser Trainer auf, und als sich von den Aktiven niemand fand, der es übernehmen wollte, haben Alex und ich angeboten, es zu tun. Wir haben beide absolut fürs Tischtennis und für die Abteilung gebrannt (tun wir immer noch), hatten Ideen und wollten etwas verändern. Einige Monate später konnten wir mit neuen Jugendlichen wieder eine Mannschaft melden – und von da an ging es steil bergauf.




Simon Leißler (ganz links) zusammen mit Alex Kucher (ganz rechts) im September 2003 als junge Trainer mit ihrer ersten Jugendgeneration. Der Grundstein für den Neuaufbau. Damals auch dabei und heute unser Jugendleiter: Florian Pfender (vordere Reihe, 1.v.r.).

Der Weg von einer einzigen Jugendmannschaft bis zu einem erfolgreichen Jugendverein, der wir heute sind, ist aber ein weiter …

Es war natürlich eine ganze Menge Einsatz und Herzblut nötig und wir hätten das auch niemals alleine geschafft. Nach ein paar Jahren kamen nach und nach immer weitere Jugendtrainer mit dazu, irgendwann wurden dann auch einige unserer eigenen Jugendlichen, die alt genug waren, zu Trainern. Dieses große und großartige Team hat es ermöglicht, dass wir den Sprung bis ganz in die regionale Spitze geschafft haben.

Gab es Phasen, in denen dir die ganze ehrenamtliche Arbeit zu viel geworden ist?

Zu viel würde ich nicht sagen, aber es gab zumindest Phasen, in denen es parallel zum Studieren oder Arbeiten definitiv nicht ohne war. Ich glaube, in meinen Spitzenzeiten, als ich neben mehrfachem Jugendtraining pro Woche, Jugendorganisation, Spiel- und Turnierbetreuung auch noch Koordinator Öffentlichkeitsarbeit und Jugendausschuss-Vorsitzender des Gesamtvereins war, kam ich doch recht regelmäßig auf 15 bis 20 Stunden Ehrenamt pro Woche. Es hat mir aber einfach so viel Spaß gemacht und die Arbeit wurde durch unglaublich viele großartige Erlebnisse aufgewogen, an die ich mich immer gerne erinnern werde.

Welche zum Beispiel?

Ich könnte da so vieles erzählen, aber dann würde das Interview zehn Seiten lang werden (lacht). Grandios waren die Jahre als Betreuer der Jungen 1, in denen wir zwischen 2013 und 2015 dreimal in Folge aufgestiegen sind, so hoch, wie noch nie eine Abstatter Jungenmannschaft gespielt hatte. Ganz besonders war auch das Premierenspiel der ersten je gemeldeten TGV-Mädchenmannschaft, das ich 2006 betreut habe – vor allem, wenn man bedenkt, dass Abstatts Mädchen dann nur zehn Jahre später Württembergischer U18-Mannschaftsmeister wurden und daraus unsere heutigen super erfolgreichen Damen hervorgegangen sind. Es gab aber auch unglaublich vieles im außersportlichen Bereich: geniale Übernachtungsabende am Saison-Vorbereitungs-Camp, unvergessliche Jugendausflüge und und und. Das Beste von allem ist vielleicht, heute mit den Jugendlichen, die ich selbst trainiert habe, bei den Aktiven zu spielen, mit zweien davon sogar gemeinsam in der ersten Herrenmannschaft. Und natürlich zu sehen, wie sie es sind, die jetzt die Abteilung gestalten, als Jugendtrainer oder in anderen Ämtern und Tätigkeiten.




Beim Kanuausflug 2013 retteten sie sich gegenseitig aus dem Wasser – heute spielen sie gemeinsam in der ersten Herrenmannschaft: Trainer Simon mit seinem damaligen Jugendspieler Michael Matthes.

Du selbst bist aktuell nicht mehr als Jugendtrainer aktiv. Vermisst du es?

Auf jeden Fall. Leider kann ich mich aus beruflichen Gründen heute nicht mehr so einbringen wie früher, aber ich versuche trotzdem, in der Abteilung so gut zu unterstützen, wie ich kann. Aktuell unterstütze ich zum Beispiel unsere tolle, junge Herren 3 bei der Saison-Organisation.

Hast du einen Rat für die jungen Jugendtrainer?

Sie brauchen keinen. Es macht mich unheimlich glücklich zu sehen, wie großartig und mit wie viel Leidenschaft sie diesen Job machen. Das Wichtigste ist immer, den Kindern Spaß zu vermitteln und Visionen. Wenn man sein eigenes Brennen auf die Kinder übertragen kann, läuft es ganz von alleine.

Wie ist es im Training? Verlierst du ab und zu gegen die Spielerinnen und Spieler, die du früher trainiert hast?

Das kommt durchaus ab und zu vor (lacht). Aber das Tolle ist, dass man als Trainer ja eigentlich immer gewinnt: Siegt man, kann man sich freuen, dass man noch nicht zum alten Eisen gehört, verliert man, kann man sich auf die Schulter klopfen, weil man wohl einen nicht zu schlechten Job gemacht hat.

Du selbst bist mittlerweile einer der Spitzenspieler in unserer Herren 1. War das immer dein großer Traum als Jugendlicher?

Nein, das hätte ich überhaupt nie zu träumen gewagt. Man muss dazusagen, dass unsere Herren 1 damals ja auch noch drei Ligen höher, in der Landesliga, gespielt hat. Das waren große Vorbilder für mich, aber ich hatte mir als Jugendlicher und ganz junger Erwachsener nie mehr als Kreisliga C, also die zweite Liga von unten, zugetraut. Jetzt ist es die Bezirksklasse, die fünfte Liga von unten, und damit habe ich meine Ziele klar übertroffen. Es ist aber manchmal immer noch etwas surreal, nach vielen Jahren in der Herren 2 jetzt selbst vorne in der ersten Mannschaft zu spielen und sogar einzelne Spiele gehabt zu haben, in denen ich als Abstatts Nummer 1 aufgestellt war.




Gefürchtetes Duo: Simon (l.) und sein Doppelpartner, Ex-2.-Bundesliga-Spieler Gunther Schmidt, waren in der letzten Saison der Herren 1 kaum zu schlagen.

Und du bist sogar letztes Jahr zum ersten Mal Vereinsmeister geworden.

Vielleicht einer der schönsten Siege. Und auch etwas, das ich mir niemals hätte vorstellen können.

Wie lange wirst du in Abstatt Tischtennis spielen?

Hoffentlich bis ich alt und grau bin. Das ist ja einer der vielen sehr schönen Aspekte am Tischtennis, dass man diesen Sport nicht nur bis Mitte 30 oder 40 machen kann, sondern eigentlich bis ins hohe Alter. Mindestens will ich aber so lange durchhalten, bis Andi Gall im sportlichen Ruhestand ist, damit ich dann der dienstälteste Spieler in Abstatt bin (lacht).

Vielen Dank, Simon, für das Interview und deine ehrenamtliche Arbeit! Wir wünschen dir weiterhin viel Spaß und Erfolg beim Tischtennis.

 
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